Tashi Delek

Wer den Film Sieben Jahre in Tibet ueber Heinrich Harrers Zeit in Tibet und insbesondere in Lhasa (‚Stadt der Goetter‘) kennt, hat schon eine gewisse Vorstellung von Lhasa. Diese entspricht leider keineswegs mehr dem heutigen Bild und es macht einen recht traurig, zu sehen, dass die Stadt bereits von Chinesen bevoelkert ist. An jeder Strassenecke stehen chinesische Soldaten, die saemtliche Eingaenge zu Klosteranlagen, Tempeln oder auch nur vielbesuchten Strassenzuegen kontrollieren. (Fotos, auf denen ein chinesischer Soldat drauf war, mussten wir umgehend im Beisein eines Soldaten ohne Begruendung von unserer Kamera loeschen!!) Aber das Bild der Altstadt Lhasa scheint noch wie vor Jahren zu sein – einfach unglaublich faszinierend, trubelig und tibetisch!! Lhasa ist seit alters religioeses, politisches, kulturelles und wirtschaftliches Zentrum Tibets. Allerdings sind von den 230.000 Einwohnern Lhasas nur noch rund die Haelfte Tibeter, der Rest sind Chinesen, chinesischen Militaer wird nicht mitgezaehlt.

Angekommen am Bahnhof in Lhasa wurden wir tatsaechlich von unserem Guide abgeholt, landestypisch mit einem weissen Gebetsschal begruesst und ins Hotel gebracht. Schon beim Anstieg in den ersten Stock des Hotels wurde uns klar, dass wir uns auf 3.656m Hoehe befinden und dass das kein Zuckerschlecken werden wuerde. Darum haben wir uns am Mittwoch auch erstmal einen Day-off genommen und erst Donnerstag mit dem Programm begonnen. Unser erster Guide war ein junges tibetisches Maedel einer Nomadenfamilie, die leider so gut wie kein einziges Wort Englisch sprach. Das machte die Sache fuer uns natuerlich nicht wirklich informativ. Zudem hatte unser Fahrer wohl seinen ersten Tag im Verkehrschaos von Lhasa und direkt vor unserem Hotel war eine riesige 24Stunden Baustelle. Nach zwei schlaflosen Naechten riefen wir erstmal unsere Booking Agency an. Prompt nach zwei Stunden erhielten wir einen neuen Guide (suuuper Englisch!!!), einen neuen Fahrer und ein neues Hotel mit Zimmer zum Innenhof. Geht doch!!

Donnerstag morgen besuchten wir zuerst (noch mit altem Guide) den Sommerpalast des Dalai Lamas Norbulingka (‚Juwelgarten‘), der in eine 360.000qm grosse Parkanlage eingebettet im westlichen Teil der Stadt liegt.

Norbulingka

Dort sind die Raeume noch so belassen worden, wie der 14.Dalai Lama sie bei seiner ploetzlichen Flucht vor der chinesischen Armee verlassen hat. Auch hier wird man ueberall an die erschreckende Kulturrevolution erinnert. Wenn man die Augen schliesst, so hat man doch ein wenig das Gefuehl, wie es vor 50 Jahren einmal hier gewesen sein muss. Nach dem Lunch und ein wenig Ausruhen im Hotel haben wir dann am Nachmittag den Potala Palace (Winterpalast) besucht. Er erhebt sich auf dem roten Berg und erscheint als Manifestation einer uns unbegreiflichen Welt. Die Vorderfront ist rund 360m lang und rund 15.000 Saeulen tragen die Decken der (angeblich) 999 Raeume. Wie sehr habe ich mich auf das Erklimmen der 125 Stufen hoch zum Potala gefreut…da war mir noch nicht ganz klar, wie unglaublich anstrengend jede einzelne Stufe bei dieser duennen Luft sein wuerde 😉

Potala Palace

Die Blicke auf den Palast haben uns allerdings fuer all die Anstrengungen entschaedigt. Leider ist die Besucherzahl seit dem letzten Jahr auf 2300 pro Tag reduziert worden, wovon wir in der Tempelanlage allerdings reichlich wenig gemerkt haben. Eine chinesische Reisegruppe mit lauthals auf chinesisch keifenden Reiseleitern durchquerten die Tempelanlage in Scharen, waehrend wir zwei staendig auf der Suche nach einem ‚akustischen Timeout‘ waren. Leider leben heute nur noch sehr wenige Moenche im Potala, nicht mehr wie damals ca. 500 Moenche. Die Unmengen an Schaetzen, die sich in der Palastanlage befinden, sind ueberwaeltigend. Sie reichen von dreidimensionalen Mandalas, ueber zahlreiche Grabstupas der verstorbenen Dalai Lamas bis hin zu den Schlaf- und Wohngemaechern des im Exil lebenden 14. Dalai Lamas. Leider ist es im Potala Palace nicht erlaubt, Fotos zu machen, sodass uns nun die vielen Erinnerungen an die Stunden dort hoch oben 130m ueber der Stadt bleiben. Dennoch bleibt der Potala Palace ein Museum, dass zwar beeindruckend ob seiner Groesse ist, doch leider ist dort kein Leben mehr zu spueren in den Raeumen. Wer allerdings in Lhasa ist, sollte sich einen Besuch im Potala Palace nicht entgehen lassen!!

Der gestrige Tag sowie auch der heutige begannen um 6.30Uhr. (Nix da, acht Monate ausschlafen, solange man will!) Erst gab es ein leckeres Fruestueck auf der Dachterrasse unseres Hotels (YAK Hotel Lhasa) mit Blick auf den Potala Palace und die umliegenden Berghaenge. Samt Guide und Fahrer gings es dann zum Drepung Monastery (‚Reishaufen-Kloster‘), eines der drei wichtigsten Klosteranlagen des Gelugpa Ordens (Yellow Hats). Diese Klosteranlage lebt. Seit den Aufstaenden 2008 leben nur noch ca.200 Moenche hier oben. Alle zugereisten Moenche wurden im letzten Jahr in ihre heimatlichen Kloester zurueck geschickt. Dennoch ist dieser Ort so erfuellt vom Alltag des Moenchsleben, dass man am liebsten ein paar Tage dort bleiben moechte, um all diese Eindruecke in sich aufzunehmen.

Waschtag in Drepung     Drepung Monastery

Moench     Butterlampen

Zurueck in der Stadt besuchten wir den aeltesten Tempel Tibets den Jokhang Temple, das wichtigste Pilgerziel des Schneelands, Tibets Nationalheiligtum und pulsierendes Zentrum des tibetischen Buddhismus. Die Heiligkeit dieses Ortes ist zu spueren, wenn man sich mit dem Strom von surrenden Gebetsmuehlen und dem Gemurmel der Sutren leiten laesst. Vor dem Portal des Tempels werfen sich die Pilger immer und immer wieder, die Haende gefaltet, ausgestreckt zu Boden und sprechen OM MANI PADME HUM…egal wie alt und wie weit gewandert. Im Inneren des Tempels folgt man einfach dem Pilgerstrom von Kapelle zu Kapelle und laesst sich von dem allgegenwaertigen Geruch der Raeucherstaebchen und Butterlampen faszinieren…

Jokhang Temple     Pilgerstein Jokhang

Danach fuehrte uns unser Guide zu einem tollen Restaurant hinauf auf die Dachterrasse mit Blick ueber den Barkhor (Altstadt Lahsas) und einem leckeren ‚Nepali Set‘ fuer umgerechnete 2Euro. Das Essen hier in Tibet ist eh nicht wirklich teuer. Ein normales Gericht kostet zwischen 20 und 30 Yuan (2-3 Euro), solange man kein western food bestellt. Gestern Abend hatten wir dann aber doch Janker auf Pizza und haben uns fuer 48 Yuan eine leckere Salamipizza gegoennt. Tibetische Salamipizza 😉 Dazu trinken wir dann immer Altitude Relax Tea oder den guten alten Ingwertee.

Am Nachmittag besuchten wir das 5km noerdlich von Lhasa gelegene Sera Monastery (‚Wildrosenhof‘), in dem bei Ankunft gerade im ‚debating yard‘ die taegliche Debattierrunde der dort ansaessigen Moenche stattfand. Hier ueben die Moenche die Kunst des philosophischen Argumentierens und Debattierens. Die auf dem Boden Sitzenden Moeche sind die ‚Verteidiger“, die stehenden Moenche stellen die Fragen und sind damit die Herausforderer. Aufgabe fuer beide ist es, die Argumente des Gegner zu entkraeften und ihn in Widersprueche zu verwickeln. Es war ein wunderbares Erlbenis fuer uns, bei der Debattierrunde dabei zu sein. Heute leben dort von den einst ueber 6600 Moenchen nur noch ca. 800. Bekannt ist das Sera Monastery fuer seine drei Klosteruniversitaeten.

Debattieren     Debattieren

Moench Sera Monastery     Kette in Haenden

Heute stand eigentlich Namtso Lake auf unserem Programm, aber leider hat es dort oben begonnen zu schneien, sodass wir mit unserem Wagen den See nicht haetten erreichen koennen. Nun ja, so ist es mit der Natur. Hier in Lhasa sind es angenehme 25 Grad und dort oben auf 5000m schneit es. Planaenderung. Stattdessen haben wir das ca.50km entfernte Ganden Monastery (‚Das Freudenvolle‘) auf 4300m Hoehe besucht. Man war die Luft duenn dort oben. Fuenf Stufen – Luftholen – fuenf Stufen – Hinsetzten…nice view!! Die Klosteranlage schmiegt sich an den Berghang mit einem atemberaubenden Blick ueber die Taeler und kilometerweit entfernte Gipfel des Himalayas. Vor 1959 lebten bis zu 3000 Moenche in der Klosterstadt, die waehrend der Kulturrevolution systematisch zerstoert wurde. Dennoch war der Besuch die Anstrengung und die Kopfschmerzen wert. Ein Erlebnis, das wir nie vergessen werden!

Ganden Monastery

Jetzt werden wir gleich unsere Rucksaecke packen, noch ein bisschen Proviant besorgen fuer die naechsten drei Tage, Abendessen und dann ab ins Bett. Mittlerweile hat Nils sich auch wieder einigermassen berappelt. Seit dem ersten Tag in Lhasa ging es ihm zusehends schlechter, das volle Programm der Akklimatisierung. Seit gestern ist aber der Appetit zurueckgekehrt, nur das Fieber haelt sich hartnaeckig. Morgen frueh machen wir uns fuer drei Tage ueber das tibetische Hochland auf den Weg ins niedrig gelegene Kathmandu/Nepal. On the road again!!

tibetisches Kind     Frau mit Kind

TASHI DELEK!!

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